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Sach mal Veranstaltungstechnik
„Sach mal Veranstaltungstechnik was isn das?“ so oder so ähnlich nach
ein paar Bier in einer Eckkneipe in Hamburg – und ich dachte mir „Jep -
gute Frage mein Freund“, also Zeit und Ort um allen die es wissen wollen
(und auch allen die es nicht wollen) eine kurze Erklärung zur schönsten
Sache der Welt zu geben mit der wir Techies uns täglich beschäftigen:
Der Veranstaltungstechnik – dem natürlichen Umfeld des
Veranstaltungstechnikers.
Also im Großen und Ganzen würde ich ja Veranstaltungstechnik als Technik
die auf Veranstaltungen eingesetzt wird definieren – und genau hier
platzt dem ein oder anderen geneigten Veranstaltungstechniker wohl schon
bereits der Kragen, das sind dann diese Kollegen die den Refrigerator
des Caterers zwar als natürliche Nahrungsquelle, nicht aber als Teil des
Jobs (sondern wenn es um den Storm geht eher als Teil des Problems),
ansehen.
Daher erstmal zur klassischen Unterteilung der Veranstaltungstechnik an
sich:
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Lichttechnik (Veranstaltungstechnik die hell macht)
Ich erspare uns hier einschlägige Jokes über ARRI, Kannen und Co. –
schickt nur nie einen unbedarften Helfer ins Lager Kannen zu holen denn
das könnte sich produktionsverzögernd auswirken. Klar, Lichttechnik
nimmt in der Veranstaltungstechnik einen sehr wichtigen Platz ein und
ist gerade auf Messen zumeist eines der größten Gewerke. Kopfbewegte
(MAC, Ypoc & Freunde), Statisches Licht, die Neulinge aus der
LED Gattung und natürlich Licon, ScanCo und Konsorten gehören hier hinzu.
Wie heißt es noch so schön: Ohne Licht geht’s nicht – ohne Ton schon.
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Tontechnik (Veranstaltungstechnik die laut macht)
Ob Backnang (D&B), Montabaur (Meyersound) oder JBL (äh irgendwo in
den USA?) hier holt der Rental das Holz – und oft auch gleich die
passenden Amps mit ab. Für die Kollegen von außerhalb: Holz steht für
die Lautsprecher, Amps sind die Verstärker ohne die das ganze keinen
Sinn machen würde. Angeschlossen an FOH (Front of House – das Mischpult
welches in der Mitte des zu beschallenden Raumes stehen sollte), weitere
Konsolen (also noch mehr Mischpulte), Effekte (inzwischen auch häufig
als integraler Bestandteil des jeweiligen Mixers anzutreffen), Monitore
(Lautsprecher die auf der Bühne liegen – wahlweise In-Ear-Monitoring
Systeme) und Mikrofone sind die zentralen Elemente in diesem Teil des
veranstaltungstechnischen Kosmos.
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Bühne (Veranstaltungstechnik die stark macht – nach 1 – 2 Jahren Bühnenbau)
Im Normalfall wird Bühne konservativ (d.h. aus Bühnenteilen – gerne
auch aus von mir eher ungeliebten Klapp-Podesten) oder englisch gebaut.
Ich benutze englisch hier, nicht ganz, korrekt für jegliche Form des
Gerüstbaus der dann mit Holz bedeckt eine wunderschöne Bühne abgibt. Die
erstere Form ist in der Veranstaltungstechnik eher auf kleinen bis
mittleren Hallen-Veranstaltungen, die englische Variante eher im OutDoor
Bereich (Fusion, Roskilde & Co.) zu finden.
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Rigging (Veranstaltungstechnik die hoch macht)
Ok – der Einleitungsclaim stimmt nicht ganz, Rigging kann natürlich
auch als Grund-Supported ausgeführt werden und Genies (schwer, sperrige,
unhandliche aber nicht zu ersetzende Laststative) spielen hier eine
gewichtige Rolle und auch das Fluggeschirr für Lautsprecher und
Stromverteilung auf der Truss (Travers) gehört hierzu. Aber nach dem
Hochfahren (Riggen?) ist Sinn und Zweck des Rigging-Gewerks zu 90% dass
die restliche Veranstaltungstechnik nach den Regeln der Kunst befestigt
sicher im Hallendach hängt. Interessanterweise wird
versicherungstechnisch das Rigging ähnlich dem Gerüstbau gehandhabt und
ist damit sicher auch verwandt – die größte Gefährdung in den letzten
Jahren lag jedoch, meines Wissens nach, nicht beim Rigger sondern bei
den staplerfahrenden Kollegen und auch alle anderen die sich in der
Loading Area aufhalten mussten oft Federn lassen. Allerdings sind 10m
Hallenhöhe und ein Rigg ohne Lifeline, im Falle des Falles, dann doch
oft finale Element.
Wesentliche Komponenten: Traverse, von light bis heavy duty, von
Leiter bis vierpunkt, Motoren, Safeties (Stahlseile), Schäkel, O-Ringe
(die Piercings des Riggers) und jede Menge Statischer Überblick - über
die Statik.
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Videotechnik (Veranstaltungstechnik die Public Viewing macht)
Eines der buntesten Felder in der Veranstaltungstechnik – und
gleichzeitig eines in dem die gestern gekaufte Technik heute schon
wieder nicht mehr up-to-date ist. Ich glaube fast keines der anderen
Gewerke hat hinsichtlich der „Frontline“ also den Ausgabemedien in so
kurzer Zeit einen so revolutionären Wandel erlebt. Von den ersten
Videobeamern (wir erinnern uns gerne und liebevoll an die ersten
Videoprojektoren mit den schönen dreifarbigen Linsen im Lager des
Veranstaltungstechnik-Rentals unserer Wahl). Von diesen über
Rückprokisten zu LCD und Plasma-TV und schließlich LED-Wand in
KADEWE-Größe (der Karstadt am Ku`damm) ging es innerhalb von knapp 10
Jahren – und spätestens in 3 Jahren wird 2D zu 3D – und dann kommt
Augmented Realitiy (ich sehe das was ich sehen will).
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Special FX (Veranstaltungstechnik die Akzente macht)
Nein, zu diesem Part unsere Branche, gehört nicht nur die Old-School
Pyrotechnik die schon bei Pink Floyd als Treibsatz oder Gas fliegende
Schweine gegrillt hat. Auch sich, meist, geplant entfaltende Riggs,
Spezial-Bühnenbau, eingeflogene Menschen, Tiere etc., Laser, Nebel,
Dunst, Schnee, Regen, Wind und Co. zähle ich hierzu.
Meiner Meinung nach – und wohl auch nach der Erfahrung der meisten Feld-
Wald- und Wiesen-Veranstaltungstechniker sowie der aktiven technischen
Leitern ist mit diesen 6 Punkten die wundersame Welt der
Veranstaltungstechnik noch nicht beschrieben. Denn spätestens, wenn
Freund Caterer mit einer Mehrfachsteckdose in der Hand und Tränen in den
Augen vor Dir steht oder eine Roadshow geplant ist und Du dabei einen
TL Job ergattern konntest erweitert sich die Weite des Raumes (bzw. der
Begriff „Veranstaltungstechnik“) auf wundersame Art und Weise erheblich.
Hinzu kommt dann zumeist:
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Catering-Technik (Veranstaltungstechnik die satt macht)
Der natürlich Aufenthaltsort des Stagehands ist bei Auf- und Abbau von
Veranstaltungstechnik – ganz klar – das Catering. Wohl aus diesem Grund
(ein anderer wäre undenkbar) sind Techies wie auch TLs auch oft dort
anzutreffen. Die Verpflegungs- und Veranstaltungstechnik in diesem
Bereich gehört leider auch zu dem Bereich mit dem größten
Überraschungspotential. Aus 20.000 Watt Bedarf an Stromleistung werden
hier schon schnell mal das Dreifache und wehe dem der bei geplanten
Catering nicht genügende Verteilungen 63->Schuko 32->16,
16->Schuko sind Standard und auch 16->32 wurde schon gesichtet
(darf nicht gibt’s nicht, so oder so ähnlich). Aber das Ganze lohnt
sich, denn merke: wäre Essen will muss freundlich sein (oder sich eben
eine Stulle einpacken).
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E-Technik (Veranstaltungstechnik die im Zweifelsfall tot macht)
Große gelbe Kästen und die obigen Verteilungen sind zentraler
Bestandteil dieser Gattung der Veranstaltungstechnik. Robuste Isolierhandschuhe und Respekt vor dem Elektron sollten im
Tool-Case des Veranstaltungstechnikers der sich mit diesem Bereich
auseinandersetzt eben so wenig fehlen wie das Grundmaß aller Ströme: Der
Phasenprüfer.
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Funktechnik (Veranstaltungstechnik die kommunikativ macht)
Eigentlich müsste „Motorola“ hier reichen. Aber dank der stetigen
asiatischen Entwicklung sind inzwischen auch viele unserer Produktionen
mit PMR Funk „gesegnet“ – was die Produktion, gerade bei einem größeren
Messeaufbau, zu einer sehr kommunikativen Angelegenheit machen kann –
vor allem dann wenn verschiedene Produktions-Crews die gleichen Geräte
und einheitliche Kanäle nutzen. Was habe ich hier schon für neue Freunde
also auch Feinde gewonnen (die meisten Lichttechniker schätzen
Anweisungen per Funk zu erhalten die so gar nichts mit Ihrer Baustelle
zu tun haben leider so überhaupt nicht).
Ich jedenfalls bevorzuge Betriebsfunk, also geschützte Frequenzen in
die mir der Kranführer von der anderen Straßenseite oder der Messebauer
von nebenan nicht reinsprechen kann – und wenn ich mit der Catering-Dame
flirte muss das ja auch nicht Gott und die Welt mitkriegen.
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Fliegende Bauten & Messebau (Veranstaltungstechnik die Eindruck macht)
Der Begriff täuscht, denn eigentlich sollten diese Bauten genau eines
nicht tun: fliegen. Aber nach gefühlten 40 Jahren auf Roadshows und
Tourneen kann ich sagen, dass ab einer gewissen Windstärke und einer
darauf nicht abgestimmten Baugröße auch funktionierenden
Sollbruchstellen nichts mehr bringen – und das sich fliegende Bauten für
den OutDoor-Bereich grundsätzlich von Messebau (ich nenne es auch gerne
Einweg-Innenarchitektur) unterscheiden.
Kollegen, bitte bleibt bei Euren Gewerken, das Klick-Laminat
(Nässeanfällig, nicht rutschsicher), die abgezogene Alu-Oberfläche und
der klassische Messeteppich (der spätestens nach dem ersten leichten
Nieselregen dem Wellengang im Atlantik Konkurrenz macht) hat im
Out-Door-Bereich und bei den großen fliegenden Bauten der Roadshows
nichts zu suchen. Mir ist übrigens durchaus bewußt dass in der
Veranstaltungstechnik auch Bühnenbau (vor allem Bühnendächer) und
natürlich auch zu fliegenden Bauten gezählt werden, und die DIN EN 13
782 und 13 814 (früher DIN 4112) monopolisiert vom Beuth-Verlag, das Maß
aller Dinge sind.
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Computer Technik (Veranstaltungstechnik die Bill Gates reich macht)
Hör mir auf. Es sollte einfach nur ein Betriebssystem in nur einer Version geben.
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Logistik (Veranstaltungstechnik die das ganze Zeug von A nach B bringt)
Trucks, Trailer, Gabelstapler, 7.49 Tonner, Sprinter, Rampen, Hebebühnen, Dancefloor, Onkel Joe (der Trucker ganz vorne).
Und last but not least Backline und Bühnentechnik – also Herr Marshall,
Mrs. Fender und natürlich Familie Pearl, Onkel Kurzweil und der
Rest der Band.
Vielleicht ließe sich das Pferd von hinten herum aufsatteln:
Veranstaltungstechnik ist all das was ein Veranstaltungstechniker im
Laufe seines Wirkens und Aufbauens in die Finger bekommt, klar dienen
die meisten Komponenten auch anderen Zwecken – einige sogar meistens –
aber spätestens wenn der Trailer entladen wird und die ersten Hands sich
mit Kupfercases in den lokalen Emergency Room befördert haben ist klar,
dass hier Veranstaltungstechnik gebaut wird.
Und genau das macht unsere schöne Branche für mich so spannend – die
Vielfalt. Ich bewundere wirklich die Kollegen und Kolleginnen vom
Lichtdesign, Tontechniker die die Theorie des digitalen Signalflußes
vor, während und nach dem Abbau 1:1 widergeben können und Rigger die aus
dem Kopf heraus die komplette Statik der Halle erstellen, das sind für
mich Spezialisten vor dem Herrn.
Ich sehe mich da eher als Feld- Wald- und Wiesen-TL der mit den meisten
Komponenten in der Veranstaltungstechnik umzugehen weiß – und vor allem
in der Lage ist den richten Mann (die richtige Frau – auch die haben
Eier) für genau diese Veranstaltung zu buchen. Denn am Ende des Tages
ist Veranstaltungstechnik ein Team-Gewerk und für Einzelkämpfer ist dann
doch eher der Regie-Raum der richtige Platz.
So Kollege, ich hoffe Du weißt jetzt genug darüber was ich so tue und
mit was ich mit beschäftige. Die Biere der letzten Stunde gehen auf
Dich. Sersn.
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Steckbrief Name: Patrick „Pädde“ Doll Geburtstag: 05.11.1984 Wohnort: Gräfenhausen, Germany, Europe, Earth
Beruf: Veranstaltungstechniker
Hobbies: Musik, Autos, Getränke Idol: MacGyver Persönlicher Höhepunkt in der Veranstaltungstechnik: Jazz Festival Montreux 07 mit Brass Machine
Lieblingsfarbe: Dunkelschwarz Lieblingsbuch: Harry Potter und der gefangene von Askaban Lieblingsfilm: School of Rock , Underworld, Blade Lieblingsserie: The Simpsons, Buffy, King of Queens Lieblingsgetränk: Bier, Cocktails und Schorlen Lieblingsessen: Gebratenes, totes Tier mit 'n bisschen was dabei!
Tipp: Einfach mal die Fresse halten!
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